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Der saubere Schnitt

Fashion

Vor zehn Jahren wollte Martin Höfeler mit dem Verkauf fair produzierter T-Shirts Geld für den guten Zweck sammeln – heute ist Armedangels eins der erfolgreichsten Bio-Modelabels Europas.

„Geht das nicht noch besser?“ Martin Höfeler lehnt in der neuen Firmenzentrale von Armedangels an einer Tischtennisplatte und blättert im hauseigenen Kundenmagazin. Der 35-jährige Chef des 2007 gegründeten Kölner Modelabels, kurze blonde Haare, wache blaue Augen, ist bei Mitarbeitern wie Partnern berüchtigt für seinen Perfektionismus. Zwar ist das Magazin nun schon gedruckt, aber Höfeler hat trotzdem noch Fragen – wie eigentlich immer und zu allem. Er klingt dabei nicht bevormundend, sondern neugierig. Und obwohl das stetige Hinterfragen und Optimieren von Prozessen zeitintensiv ist, scheint sich Höfelers Art der Unternehmensführung auszuzahlen: In den vergangenen fünf Jahren verzeichnete Armedangels jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich 40 Prozent – ein Wert, von dem die deutsche Bekleidungsbranche ansonsten nur träumen kann.

Für 30 Euro ist bei Armedangels ein T-Shirt mit Streifenprint zu haben, eine schlichte Slimfit-Jeans kostet um die 100 Euro, ein Parka aus Biobaumwolle rund 200 Euro. In Zeiten, da mittelständische Modemarken in Deutschland unter dem Konkurrenzdruck internationaler Textilketten leiden, ist Höfelers Firma an vielen von ihnen vorbeigezogen und hat sich mit ihrem Konzept von bezahlbarer nachhaltiger Mode nach vorn geschoben. Verzeichnete Armedangels 2010 weniger als eine Million Euro Umsatz, waren es 2015 bereits 16 Millionen, im Jahr darauf sogar mehr als 23 Millionen Euro. Mit 900 Verkaufsstellen in 18 Ländern zählt das Label zu den größten nachhaltigen Modeunternehmen Europas. „Wir haben mit der Nachhaltigkeit ein Verkaufsargument, das uns von konventionellen Marken unterscheidet“, sagt Höfeler über sein Erfolgsmodell.

Der Markt für nachhaltig produzierte Kleidung wächst, das wissen auch die großen Ketten. Zara startete im Herbst 2016 seine umweltfreundliche Linie „Join Life“, Mango zog im Frühjahr mit der „Committed“-Kollektion nach, H&M produziert bereits seit 2011 die „Conscious“-Linie. Die Bilder vom Einsturz der Produktionsstätte Rana Plaza in Bangladesch, bei dem 2013 mehr als 1000 Menschen starben, die Dokumentation „The True Cost“ über Kinderarbeit im Textilgeschäft von 2015 – all das lässt mehr und mehr Menschen beim Kauf von Kleidung genauer hinsehen.
Armedangels war eines der ersten Labels, die die Dinge beim Namen nannten. Mit dem Claim „Wir arbeiten in der zweitschmutzigsten Industrie der Welt“ provozierte das Unternehmen auf der Berliner Fashion Week im Juli. Der Hintergrund: Die Produktion von nur einem Kilogramm konventionell angebauter Baumwolle erfordert 13 000 Liter Wasser sowie den Einsatz von 900 Gramm Pestiziden und chemischen Düngemitteln.

Martin Höfeler ist ein eloquenter Erzähler, große Gesten vermeidet er. Erläutert er einen Sachverhalt, klingen die Dinge einfach. Mehr noch: Alles scheint machbar. Seine Art wirkt gewinnend auf seine Mitarbeiter, deren Idealismus er wiederum schätzt. „Ich glaube nicht, dass die Leute des Geldes wegen bei uns anfangen, sondern weil sie etwas bewegen wollen.“ Auch für ihn selbst sei finanzieller Erfolg nicht der Antrieb, im Gegenteil: „Mir widerstrebt der Gedanke der ständigen Gewinnmaximierung.“ In den ersten drei Jahren hätten er und sein damaliger Kompagnon sich zunächst monatlich 1000, später 1500 Euro Gehalt zugestanden. „Wir haben bis zu 70 Stunden die Woche gearbeitet, es gab viel an Knowhow aufzuholen“, sagt er über die Anfänge vor zehn Jahren, „wir waren ja Branchenfremde.“

Die Anfänge, das waren der Entwurf und die Produktion von T-Shirts, eine Disziplin, die in der Branche oft belächelt wird. T-Shirts? Kann doch jeder! „Armed angels war zunächst eine Charity-Idee. Wir wollten von jedem verkauften T-Shirt einen Teil des Erlöses für gute Zwecke spenden. Wir hatten keine Ahnung, wie Mode hergestellt wird, und haben erst später mit Schrecken festgestellt, wie schmutzig diese Industrie ist“, sagt Höfeler. Der Ausgangspunkt war Fairtrade, also fairer Handel zu angemessenen Preisen. Dann kam Biobaumwolle ins Spiel, als Nächstes verwendete Armedangels Stoffe, die mit dem internationalen Nachhaltigkeitssiegel GOTS zertifiziert waren. Und schließlich trat man der Fair Wear Foundation bei, einer Stiftung, die die Einhaltung von Arbeitsrichtlinien entlang der Lieferkette kontrolliert. So wurden immer mehr Bereiche der Produktionskette fair und nachhaltig gestaltet.

Heute zählen Besuche bei den Biowoll- und Biobaumwolllieferanten in Indien und in Argentinien zum Tagesgeschäft, auch die Fertigungsbetriebe in Portugal, der Türkei und China werden streng überwacht. Zugleich muss der modische Anspruch stimmen: Es isst ja auch niemand bio, wenn es nicht schmeckt. Doch die T-Shirts von Armedangels hatten von Anfang an bei einer breiten Zielgruppe Erfolg, so konnte man das Sortiment schrittweise um Hosen, Mäntel und Pullover erweitern.

Wie soll es in den nächsten zehn Jahren weitergehen? Höfeler denkt auch da gern in Superlativen: „Unser Ziel ist es, das fairste Modelabel der Welt zu werden.“ Bei ausreichend Produktionsvolumen träumt Höfeler davon, eines Tages eine eigene Produktionsstätte in Bangladesch zu errichten. Ein solcher Aufbau just in jenem Land, das wie kein anderes für viele Übel und Sünden der Textilindustrie steht – das wäre ein weiteres dickes Ausrufezeichen von Martin Höfeler.

 

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10/2017